Toxisches Arbeitsumfeld? Was ist das eigentlich?

Ich bin gerade auf Linkedin über diesen Beitrag gestolpert.
Kurzum geht es darum, dass dort Mitarbeitende Angst haben, Feedback an Vorgesetzte zu geben oder Fragen zu stellen.

Ist es aber eigentlich immer so, dass in solchen Fällen wirklich eine toxische Situation existiert?
Generell ist es ja so, dass das Empfinden subjektiv ist. Und gerade weil es subjektiv ist, vermischt man gegebenenfalls aktuelle Situationen mit Situationen, die in einer anderen Arbeitswelt oder einem anderen Zeitabschnitt passiert sind.

Viel ist es ja auch so, dass wir manche unserer Möglichkeiten einfach nicht mehr einsetzen, weil es einfacher ist zu werten, zu urteilen, anstatt sich mit einem Thema und anderen Personen auseinander setzen zu wollen. Eine Art, die wir schnell drauf haben und auch unser Körper und unser Geist bereitwillig seit frühester Menschheit unterstützt.

Was früher wichtig war, um nicht vom Säbelzahntiger gefressen zu werden, ist heute gar nicht mehr so wichtig. Dennoch urteilen wir auch heute immer noch gerne. Auf diesem Umstand beruhen beispielsweise sämtliche Trash-TV-Formate, egal ob Big Brother, IBES oder das Sommerhaus der Stars. Wir schauen uns das Ganze an und stellen bei wildfremden Menschen fest, dass dieser Mensch eine Art der Behandlung verdient hat. Wir beurteilen Menschen in gut, schlecht oder neutral.

Ich selber nenne das in meiner kleinen Welt immer den Tante-Grete-Effekt.
Meine Tante Grete war eigentlich die Tante meines Vaters, die recht einsam in einem kleinen Dorf vor Hamburg wohnte. Und weil sie so einsam war, wollte sie, dass unsere Familie in ihr Haus ziehen würde. Sie machte regelmäßig gut Wetter mit meinen Eltern und meinen Schwestern. Sie machte Ausflüge mit uns, machte Geschenke, gab Geld.
Allerdings gab es da noch mich, den kleinsten in der Familie, auch wenn man sich das heute nicht gut vorstellen kann. Mich mochte sie nicht und das fand ich als Kind schnell heraus. Und was soll ich sagen… Ich mochte sie auch nicht. Sie machte in unserer Küche den Schrank kaputt und gab mir die Schuld dafür. Es war Weihnachten, meine Schwestern bekamen 100 DM geschenkte, ich bekam 10 DM… Und es gab noch einige Dinge, die es mir sicher schwer machten, Tante Grete auch nur ansatzweise ins Herz zu schließen. Ich habe das nicht neugierig hinterfragt, sondern Tante Grete einfach in meinem Kopf in einen Karton abgelegt. Und wenn mir heute jemand begegnet, der aussieht, spricht, riecht oder sich verhält wie Tante Grete, dann kommt er in meinem Kopf in genau diesen Karton und hat keine Chance mehr, da herauszukommen.

Aber auch Freunde, Eltern und Lehrer haben es geschafft, dass wir urteilen. Ganz einfach darum, weil sie verhindern wollten, dass etwas uns verletzt. Die meisten von uns erinnern sich bestimmt noch an unsere Mutter, oder? Kind, der Herd ist heiß, fass da nicht an.
Und wir sind uns doch bestimmt alle einig, dass wir das im Regelfall eher nicht hinterfragt haben. Oder habt ihr vielleicht die heiße Flamme am Herd angefasst, weil ihr eurer Mutter nicht geglaubt habt? Ich denke nicht…

Kurzum ist es total sinnvoll, wenn man seine Schubladen und Kartons im Kopf nutzt, aber aus Bequemlichkeit machen wir es gerne auch dann, wenn es nicht unbedingt angebracht ist.
Als junge Kinder hätten wir uns gar nicht auf diese Dinger in unserem Kopf eingelassen. Als Kinder hatten wir eine tolle Waffe dagegen. Wisst ihr noch, was diese Waffe war? Vergessen? Das kann passieren. Aber wer heute Elter ist, der wird wissen, was ich meine. Womit bringen uns Kinder schier zur Verzweiflung? Sesamstraße? Wer? Wie? Was?

Kinder stellen in jungen Jahren viele, viele Fragen. Sie sind neugierig und wollen die Welt erfahren.
Wir Erwachsenen haben uns diese kindliche Neugier oft leider nicht erhalten.
Wir greifen mehr auf unsere Schubladen zurück.

Und das machen wir auch in der Firma.
Es passiert etwas, was nicht genau eingeordnet werden kann. Man könnte fragen, man könnte um Hilfe bitten, um die Irritation auslösen zu können. Aber oft schweigt man einfach.
Ihr habt bestimmt in eurer Firma auch regelmäßige Meetings, egal ob offline oder online.
Am Ende fragt der Vorgesetzte, ob es Fragen gibt. Und erinnert ihr euch? Die Reaktion ist meist sehr verhalten und es gibt nur wenige bis gar keine Fragen. Und immer wieder stellt man dan im Nachgang fest, dass es doch Fragen gegeben hat, die man nur nicht vor anderen oder überhaupt stellen wollte.

Das passiert auch regelmäßig in Unternehmen, in denen ich gearbeitet habe. Und dort gibt es eine Kommunikations- und Fehlerkultur, die bekannt ist und auch gelebt wird.
Dennoch will keiner eine Frage stellen. Ist das trotzdem eine toxische Situation? Oder haben wir einfach künstliche Hemmungen, die wir uns aufgebaut haben und suchen einen Schuldigen?

Wenn ich nicht mit meinen Mitarbeitenden und Vorgesetzten sprechen kann, dann bin ich schnell nicht mehr arbeitsfähig. Und natürlich führt auch eine fehlende Arbeitsfähigkeit zwangsläufig auch schnell zu einer Arbeitsunfähigkeit, wenn ich die Arbeitsfähigkeit nicht schnell wieder herstellen kann.
Und das ist dann sicherlich toxisch.

Aber generell sollte bis zu einem solchen toxischen Moment jeder das Interesse haben, durch ein gemeinsames Reden und der notwendigen Neugier Fragezeichen aufzulösen.
Also, traut euch einfach und holt euch ein Stück Kindheit zurück…
Wer? Wie? Was?

Es tut meist gar nicht so weh…

 

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