Das Tier in mir

Nach meiner Schulzeit war mein erster Schritt in die Fußstapfen meines Vaters.
Ich wurde Fleischer.
Meine Ausbildung habe ich bei der co op Schleswig-Holstein eG 1986 in einem Markt in Stockelsdorf angefangen und dort auch beendet.
Mein Ausbilder war ein komischer Kauz, Mitglied bei den Grünen, fuhr aber einen alten Volvo, der weder ökologisch noch ökonomisch vorzeigbar war. Und wir sollten alle bei der Wahl die Grünen wählen. Er ließ sich das Ganze auch gerne etwas kosten, wollte er unsere Stimme doch mit Schampus kaufen.
Aber hey, Lehrjahre sind keine Herrenjahre, so ein alter weiser Spruch.
Und dem kann ich nur zustimmen. Es war sicherlich nicht immer einfach und schön, aber die Ausbildung hat Spaß gemacht und die Kollegen waren toll.

Einen Teil meiner Ausbildung habe ich in der co op Zentrale in Kiel absolviert. Dort gab es jedes halbe Jahr eine Art betrieblichen Blockunterricht. Eine überbetriebliche Ausbildung fand dann zusätzlich noch auf dem Priwall in Lübeck statt.

Meine Ausbildung ging in die Fachrichtung Verkauf, in Fleischerkreisen auch gerne Tütenschlachter genannt. Tütenschlachter deshalb, da diese Art der Fleischer in der Regel vorzerlegte Fleischteile vakuumiert in Plastikbeuteln erhalten und diese dann für den Verkauf vorbereiten und veredeln.

Natürlich gab es auch Fleisch, was nicht in Beuteln vakuumiert geliefert wurde. Halbe Schweine, Rinderviertel, Lammhälften. Diese galt es fachmännisch zu zerlegen, zu portionieren und verkaufsfertig zu machen. Den Verkaufstresen zu bestücken, Spezialitäten herzustellen, die Warenbestellung und sich auch -zumindest gedanklich- mit der Zubereitung der Teilstücke zu beschäftigen sind nur ein kleiner Teil der Aufgaben, die man in diesem Beruf übernimmt.

Als Fleischer der Fachrichtung Verkauf hat man einen hohen Anteil Kundenkontakt. Und das bedeutet nicht nur, die berühmte Frage zu stellen. „Darf es noch etwas mehr sein?“
Die Frage ist sicher hilfreich, dennoch gehört zu einem sinnvollen und ertragreichen Verkaufsgespräch so viel mehr. Eine gute Bedarfsermittlung und Einwandbehandlung ist auch hier mindestens so gewichtig, wie auch in jedem anderen Beruf, der sich mit dem Verkauf beschäftigt.

Das Schöne an dem Beruf ist, dass man sofort sehen kann, was man durch seine Arbeit entstehen lässt. Man sieht das Endprodukt, was man für seinen Kunden herstellt und weiß so auch, dass man eine hervorragende Qualität für seinen Kunden bereitstellt und kann ihm gleichzeitig noch mit auf den Weg geben, wie er durch die Zubereitung alles tun kann, um diese Qualität beizubehalten.

Meine Ausbildung habe ich 1989 beendet. Endlich Geselle, auf in die weite Welt.
Das klappte bei mir relativ gut. Ich blieb im Unternehmen und wurde als Abteilungsleiter in Springerfunktion eingesetzt. Das heißt, ich habe Schleswig-Holstein bereist und dort in den co op Märkten Urlaubs- und Krankheitsvertretungen übernommen. Manchmal auch Unterstützungen in der Saisonzeit an der Ostseeküste, auch habe ich Ladenumbauten, -neueröffnungen oder -schließungen begleitet. Eine wahrlich spannende Zeit, in der ich viele handwerklichen Tricks und Kniffe meiner Kollegen abschauen konnte.

Besonders anstrengend war eigentlich immer der erste Tag einer Vertretung. Man wusste nie, was auf einen zu kam. Und in der Branche muss ja auch immer damit gerechnet werden, dass die Lebensmittelüberwachung vor der Tür steht und kontrollieren möchte. Und der berechtigte Einwurf, dass man gerade erst die Vertretung übernommen hat, wird natürlich erst einmal nicht unbedingt geglaubt. Das ist auch gut so, denn durch meine Tätigkeit als Springer kann man viel lernen, allerdings konnte man auch gut erleben, dass manche Kollegen gerne versucht waren, geltendes Recht durchaus kreativ im Sinne der Inventur auszulegen.

Am schönsten waren für mich die Unterstützungen in den Märkten entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, und dort besonders in Grömitz.
Ein ganz kleiner Markt, der aber in den Sommermonaten besonders viel zu tun hatte. Grillfleisch und Kaltgetränke liefen extrem gut. Und in den Monaten außerhalb der Saison war die Marktgröße für den kleinen Ort Grömitz absolut ausreichend.

Aber auch die Neueröffnungen waren spannend. Schafft man es, den Laden bis zur Neueröffnung fertig zu bekommen? Geschafft haben wir es immer. Aber es war auch immer knapp. Viele Gewerke gilt es unter einen Hut zu bekommen. Und oft stehen die sich auch gegenseitig im Weg. Aber man glaubt gar nicht, wie viel Arbeit darin steckt, einen neuen oder einen umgebauten Markt zu eröffnen.
Man schließt den Markt nicht nur am Eröffnungstag auf, sondern plant viel, richtet neu ein und bereitet alles vor, damit der Kunde im neuen Markt ein Einkaufserlebnis hat, das ihn begeistert. Und hoffentlich nachhaltig und nicht nur am Eröffnungstag.

Natürlich wollte ich mich in meinem Job weiterentwickeln. Und so hat mir die co op Schleswig-Holstein eG ermöglicht, meinen Meister zu machen. Das gelang mir auch im März 1995 vor der Handwerkskammer Hamburg.

Mit meinem Meistertitel wollte ich auch gerne etwas sesshafter werden und nicht mehr durch Schleswig-Holstein bei jedem Wind und Wetter unterwegs sein, um zur Arbeit zu kommen. Allerdings war das nicht mit der co op Schleswig-Holstein eG umsetzbar, da keine Abteilung nachbesetzt werden musste. Und ich wollte nicht warten.
So wechselte ich 1997 den Arbeitgeber. Mein neuer Arbeitgeber war REWE und ich war in Lübeck in einem minimal Managermarkt fest eingesetzt. Ich musste allerdings feststellen, dass andere Arbeitgeber regelmäßig auch nur mit Wasser kochen. Der Managermarkt zeichnet sich dadurch aus, dass der Marktleiter so eine Art „kleiner Geschäftsführer“ darstellt. Er verwaltet sein Budget für den Markt selbst. Mein Marktleiter entschied sich dafür, in meiner Abteilung Personal einzusparen. Das führte dazu, dass ich weniger Zeit mit dem Kunden verbringen konnte und meine Kommunikation dann eher mit totem Fleisch führen musste. Nun war ich also sesshaft , aber der Job war gleichzeitig für mich uninteressant geworden.

Das war für mich der Zeit, an dem ich mich entschieden hatte, einen Arbeitgeberwechsel auch gleichzeitig den Beruf zu wechseln.

Dennoch habe ich 13 Jahre lang in einem wunderbaren Beruf arbeiten dürfen.

Heutzutage ist der Fleischgenuss nicht mehr so positiv angesehen, wie er noch zu meiner Kindheit war. Und es ist sicherlich gut, dass hinterfragt wird, ob täglicher Fleischgenuss für uns und unsere Umwelt gut ist. Eine ausgewogene Ernährung ist auf jeden Fall wichtig.
Bewusstes Ernähren sollte jedem wichtig sein. Es ist jedoch aus meiner Sicht heraus zumindest wichtig, dass man sich bei dem Genuss von Fleisch wenigstens vor Augen führt, dass dafür ein Tier sterben muss. Und auf dem Weg auf unseren Teller ist es für das Tier zumindest zu wünschen, dass das Tier auch respektvoll aufwachsen durfte. Das ist bei vielen Fleischpreisen per se schon anzuzweifeln. Es ist daher wünschenswert, sich mit dem Gedanken an die Aufzucht der Tiere zu beschäftigen. Lieber mehr für das Fleisch ausgeben und dafür weniger oft den Teller mit Fleisch füllen. Das hilft den Tieren, den Landwirten und auf jeden Fall auch der Umwelt.

Wie es mit mir weiter ging? Das schreibe ich in meinem nächsten Artikel.

Einen umfangreicheren Einblick in das Berufsbild eines Fleischers ist hier zu finden.

 

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